Kasse oder privat: Christine Baumeister-Henning mit Tipps für den Praxisalltag
Ein großer Teil der nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abzurechnenden Privatleistungen wird nach wie vor mit dem 2,3-fachen Satz in Ansatz gebracht, obwohl durchaus ein höherer Faktor gerechtfertigt wäre.
Vor allem in der Prothetik sind Faktorerhöhungen bei erhöhtem Zeitaufwand oder besonderen Schwierigkeiten unverzichtbar.
Nach der GOZ-Analyse der Bundeszahnärztekammer von 2014 werden prothetische Leistungen im Durchschnitt mit folgenden Faktoren berechnet (Tabelle 1). Diese Faktoren sind sicherlich realistisch, wenn auch die prothetischen Leistungen aufgewertet wurden. Dies kann nicht automatisch bedeuten, dass Faktor 2,3 ausreichend ist. Zwei Beispiele sollen das im Vergleich verdeutlichen.
Fall 1:
Versorgung eines Patienten mit zwei voll verblendeten Einzelkronen an den Zähnen 46 und 47. Die Praxis hat einen Stundensatz von 356 Euro. Alles läuft hervorragend. In der ersten Sitzung erfolgt die Präparation, in der zweiten Sitzung werden die Kronen eingesetzt (Tabelle 2).
Beim genannten Stundensatz steht für diese Behandlung ein Zeitkontingent von ca. 100 Minuten (eine Stunde und 40 Minuten) zur Verfügung. Da alles glatt gelaufen ist, kommt die Praxis mit diesem Honorar gut zurecht.
Fall 2:
Auch diese Patientin erhält zwei Einzelkronen, allerdings im Frontzahnbereich an den Zähnen 21 und 22. Die Praxis hat einen Stundensatz von 325 Euro. In der ersten Sitzung erfolgt die Präparation. Wegen verstärkter Blutung kann die Korrekturabformung erst am folgenden Tag durchgeführt werden. Darüber hinaus wird zur optimalen Farbgestaltung erst eine Rohbrandanprobe vorgenommen, nach dem Glanzbrand werden die Kronen in der vierten Sitzung adhäsiv befestigt (Tabelle 3).
Dieser Praxis steht beim genannten Stundensatz für die Behandlung ein Zeitkontingent von ca. zwei Stunden zur Verfügung. Der zeitliche Aufwand war jedoch deutlich höher, sodass eine Anhebung des Steigerungssatzes zur Kostendeckung unumgänglich ist.
Zeitaufwand dokumentieren:
Wichtig für eine korrekte Honorarberechnung ist (nach einer Kalkulation des Stundensatzes) zunächst die vollständige Dokumentation. In den genannten Beispielen, aber auch in allen anderen Fällen ist die Dokumentation des Zeitaufwands für die Kalkulation des Steigerungsfaktors hilfreich. Dann ist bei der Rechnungslegung schnell ersichtlich, ob eine Anhebung des Faktors notwendig ist oder nicht. Das allein reicht jedoch nicht!
Denn jetzt benötigt die Mitarbeiterin natürlich eine gute und nachvollziehbare Begründung – und je besser der Behandlungsfall dokumentiert ist, umso eher ist es möglich, eine Begründung zu formulieren, die mit der Dokumentation im Einklang steht und vom Patienten nachzuvollziehen ist.
Wer lückenhaft dokumentiert, kann auch nicht vollständig abrechnen, weil er notwendige Faktorsteigerungen nicht plausibel begründen kann.
Begründung für die Provisorien:
Die GOZ-Nummer 2270 (auch GOZ-Nummer 5120 und GOZ-Nummer 5140) beinhaltet nach ihrer Leistungsbeschreibung Abnahme und Wiederbefestigen der provisorischen Versorgung. Wird jedoch häufiger als einmal die provisorische Versorgung abgenommen und wieder befestigt, ist dies im Steigerungs-satz zu berücksichtigen. Die Begründung erfolgt dann so: „Überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen behandlungsbedingter häufiger Abnahme und Wiederbefestigung von provisorischen Kronen/Brücken.“
Begründung für die Kronen:
Hier ergibt sich aus der GOZ zunächst folgende Problematik: Eine Abrechnungsbestimmung zur GOZ-Nummer 2210 lautet „Zu den Kronen nach den Nummern 2200 bis 2220 gehören Kronen (Voll- und Teilkronen) jeder zahntechnischen Ausführung.“ Dies bedeutet: Allein die Tatsache, dass es sich im zweiten Beispiel um vollkeramische Kronen handelt, ist keine Begründung für einen erhöhten Steigerungsfaktor. Das Thema „ästhetische Gestaltung“ ist schwierig, denn private Kostenerstatter könnten argumentieren, dass Ästhetik nicht medizinisch notwendig ist, und damit die Faktorerhöhung ablehnen. Also müssen wir uns die Behandlung im Detail ansehen. Tatsache ist, dass die GOZ-Nummer 2210 für alle Kronenarten zur Verfügung steht, also für Vollguss- ebenso wie für Vollkeramik. Allerdings wird der Zahnarzt für eine vollkeramische wie auch für eine vollverblendete Krone mehr Substanz abtragen müssen. Deshalb könnte für diese Art von Kronen als „Standardbegründung“ hinterlegt werden: „Deutlich erhöhte Schwierigkeit, da bei umfangreichem Substanzabtrag zum Schutz der vitalen Pulpa mit reduzierter Tourenzahl der Präparationsinstrumente gearbeitet werden musste.“ In unserem zweiten Beispiel ergibt sich aus der Dokumentation eine weitere mögliche Begründung. Im Leistungsumfang der GOZ-Nummer 2210 sind die notwendigen Abformungen enthalten. Dabei geht man jedoch im Standardfall davon aus, dass alle notwendigen Abformungen in einer Sitzung erfolgen können. Das war hier nicht der Fall.
Deshalb könnte die Begründung auch so aussehen: „Zeitlicher Mehraufwand, weil die Abformung wegen starker Blutung in separater Sitzung erfolgen musste.“
Empfehlungen für Begründungen
Die Bedeutung der Dokumentation für eine leistungsgerechte Honorarkalkulation kann nicht genug betont werden. Weitere behandlungs- oder patientenbedingte Besonderheiten können die Arbeit erschweren und eine Faktorsteigerung erfordern. Hier daher weitere Beispiele für Begründungen bei Einzelkronen, die sich aus der Behandlung oder durch die Besonderheiten des Patienten ergeben (Auszüge aus „Begründungskatalog“, Christine Baumeister-Henning, Zahnärztlicher Fach-Verlag, Herne, 2016):
- Schwierige Präparation, da der Präparationsrand aufgrund der kurzen klinischen Krone zur Gewinnung ausreichender Retention subgingival gelegt werden musste.
- Besonders vorsichtiges Vorgehen zum Schutz der gefährdeten benachbarten Keramikkrone nötig.
- Erheblicher zeitlicher Mehraufwand wegen schwieriger und unüblich häufiger prothetischer Zwischenproben.
- Zeitaufwendige Behandlung, da wegen Kiefergelenks- und Muskelschmerzen des Patienten die Behandlung häufig unterbrochen werden musste.
- Erheblicher zeitlicher Mehraufwand, da wegen des starken Speichelflusses des Patienten/wegen starker Blutungsneigung die Abdrucknahme mehrfach wiederholt werden musste.
- Erhöhte Schwierigkeiten wegen einer ungünstigen Präparationsgrenze (LG Frankfurt [Oder...], Urteil vom 26. Juni 2007, Az.: 6a S 128/06)
- Erhöhte Schwierigkeit und besonderer Zeitaufwand wegen verstärkter Papillenblutung (LG Frankfurt [Oder...], Urteil vom 26. Juni 2007, Az.: 6a S 128/06).