Tipps für den Praxisalltag von Christine Baumeister-Henning
Aus den Regelungen des § 5 GOZ ergibt sich, dass es dem Zahnarzt überlassen bleibt, die Höhe seines Honorars durch Multiplikation des Einfachsatzes zu bestimmen. In einem Rahmen von 1,0 bis 2,3 kann er die Honorarhöhe bestimmen, ohne dass er die jeweilige Höhe rechtfertigen müsste.
Erst oberhalb von 2,3 (bis Faktor 3,5) muss ein Grund angegeben werden, aus dem der Zahlungspflichtige nachvoll ziehen kann, warum die jeweilige Honorarhöhe gewählt wurde.
Der Verordnungsgeber hat verfügt (§ 10 GOZ), dass ein Überschreiten von Faktor 2,3 für den Patienten verständlich und nachvollziehbar zu begründen ist. Diese Forderung ist ganz eindeutig als ein „Verbraucherschutz“ anzusehen, denn die Richtigkeit der Rechnung muss für den Patienten nachprüfbar sein. Versteht der Patient die Begründung nicht, ist der Zahnarzt verpflichtet, diese zu erläutern. Die Erläuterungspflicht dient also nur dazu, dem Patienten eine ihm nicht plausible Begründung verständlich zu machen, was auch mündlich geschehen kann.
Bei der Bemessung der Gebühr ist die erbrachte Leistung vom Zahnarzt anhand vorgegebener Bemessungskriterien zu bewerten, und zwar nach Zeitaufwand oder Schwierigkeit der einzelnen Leistung, den besonderen Umständen bei der Erbringung der einzelnen Leistung sowie der besonderen Schwierigkeit des Krankheitsfalles.
Zeitaufwand der einzelnen Leistung
Hier ist insbesondere der durchschnittlich vom Zahnarzt für eine Leistung benötigte Zeitaufwand zugrunde zu legen. Damit wird dieses Kriterium immer sehr individuell zu bewerten sein. Um eine Idee vom eigenen Zeitaufwand zu gewinnen, ist es sinnvoll, die Zeiten der jeweiligen Behandlung zu dokumentieren. Dies ist auch bei eventuellen späteren Auseinandersetzungen mit dem Patienten wichtig.
Schwierigkeit der Leistung
Diese ist ebenfalls jeweils vom Zahnarzt unter fachlichen Kriterien zu bestimmen. Dabei haben diejenigen Schwierigkeiten keinen Einfluss auf die Gebührenhöhe, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt wurden. Wenn z. B. ein Zahn bei der Extraktion frakturiert, wird statt der Nr. 3000 oder 3010 (Extraktion) die Nr. 3020 (Extraktion eines tief frakturierten oder tief zerstörten Zahnes) in Ansatz gebracht.
Besondere Umstände bei der Ausführung einer Leistung
Berücksichtigungsfähige Umstände bei der Ausführung einer Leistung können sich z. B. aus Verständigungsschwierigkeiten mit Behinderten oder fremdsprachigen Patienten, Unfallbehandlungen unter erschwerten räumlichen Bedingungen oder auch aus der Erbringung zahnärztlicher Leistungen zu ungewöhnlichen Zeiten ergeben. Besondere Umstände bei der Ausführung können aber auch vom Durchschnittlichen abweichende Ausführungsarten der Behandlung sein. Zum Teil sind Umstände, die bislang zur Begründung eines höheren Steigerungsfaktors herangezogen werden konnten, neu in die Leistungsbeschreibung einzelner Gebührenziffern aufgenommen worden.
So heißt es z. B. im neuen Leistungstext zur GOZ-Nr. 2410: „Aufbereitung eines Wurzelkanals auch retrograd, je Kanal, ggf. in mehreren Sitzungen.“ Bislang berechtigte der Umstand, dass ein Wurzelkanal retrograd aufbereitet wurde, zur Anhebung des Steigerungsfaktors. Dies gilt nun nicht mehr. Achten Sie darauf, dass „altgewohnte“ Begründungen zur Faktorsteigerung nicht auf Umstände abstellen, die neuerdings im Leistungstext enthalten sind.
Schwierigkeit des Krankheitsfalles
Unter diesem Kriterium sind all diejenigen Besonderheiten zu erfassen, die der Patient selbst als zusätzliche Belastung mitbringt. Wenn der Patient unter einer geistigen oder körperlichen Behinderung leidet, stellt dieses Grundleiden eine erhöhte Anforderung an die Behandlung des Zahnarztes. Ein M. Parkinson kann durch die Unfähigkeit des Patienten, den Kopf ruhig zu halten, die Behandlung erheblich erschweren. Auch eine Behandlung im Rollstuhl, eine Behandlung bei Lagerungsproblemen des Patienten oder eine Behandlung von Patienten, die mit Antikoagulantien behandelt werden, kann die Behandlungsabfolge beeinträchtigen und ist somit ein Grund für eine erhöhte Gebührenbemessung.
Korrekt begründen
Um den tatsächlichen Grund – und nicht irgendeinen aus einer Begründungssammlung – zu nennen, ist Aufmerksamkeit bei der Behandlung erforderlich. Denn die Begründung sollte bereits am Stuhl stattfinden und den Patienten nach Möglichkeit mit einbeziehen.
Beispiel: Der Patient leidet unter Mundwinkelrhaghaden und hat deshalb Probleme, den Mund lange geöffnet zu halten. Bei der Behandlung gehen wir darauf ein und sagen ihm: „Möglicherweise können Sie den Mund nicht so lange geöffnet halten und müssen ihn ab und zu schließen, um die Wunden zu entlasten. Wir nehmen uns die Zeit, die dafür nötig ist, auch wenn die Behandlung etwas länger dauert.“ Wichtig ist es, die Rhaghaden zu dokumentieren. In der Rechnung sieht die Begründung dann so aus: „Erheblich erhöhter Zeitaufwand: Der Patient litt unter Mundwinkelrhaghaden. Zur Entlastung musste die Behandlung mehrfach unterbrochen werden und das Arbeitsfeld danach wieder neu eingestellt werden.“ Wenn der Patient seine Rechnung erhält, wird er sich genau an diesen Umstand erinnern.
Gründe für einen höheren Faktor können sich aus der Anamnese ergeben (z. B. Marcumar), sind Besonderheiten des Patienten (permanent, z. B. Lagerungsprobleme, kann nicht oberkiefergerecht gelagert werden oder situativ wie die Rhaghaden) oder sie ergeben sich aus der konkreten Behandlung.
Im Folgenden ein paar Beispiele, die als Anregung für die Formulierung von Begründungen dienen können.
Allgemeine Begründungen
- Zeitaufwändige Behandlung, da wegen Kie fergelenks- und Muskelschmerzen des Patienten die Behandlung häufig unterbrochen werden musste.
- Erschwerte Lagerungsbedingungen bei star ker Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule.
- Erheblich erschwerte Freistellung des Behandlungsfeldes bei hohem/ wechselndem Zungen-/Wangenmuskeltonus.
- Schwierige Behandlungssituation wegen problematischer Kreislaufverhältnisse.
- Zeitaufwändige Behandlung, weil wegen häufigen Umspülens der Behand lungsablauf immer wieder unterbrochen wurde. Danach musste jeweils erneut situationsgerecht gelagert und das Behandlungsinstrumentarium neu positioniert werden.
Prophylaxe
- Besonders schwierige Motivation und Ins truktion wegen ungünstiger Hygienewerte (Zeitaufwand >25/15 Min.). Altersbedingt erheblich verminderte Mitarbeit des Patienten.
- Sehr schwierige Instruktion von Mundhygienemaßnahmen/ Putztechniken wegen motorischer Problematik (insbesondere bei sehr kleinen Kindern oder alten Menschen).
- Schwierige Instruktion wegen Zahnstellungsanomalien, dadurch bedingt erschwertes Einüben der Anwendung von Hilfsmitteln.
- Erheblich erschwerter Mundhygienestatus bei Dysgnathie/Zahnengstand/ laufender kieferorthopädischer Behandlung.
- Erheblich erschwerte Instruktion bei motorischen und/oder mentalen Einschränkungen des Patienten.
- Schwierige Aufklärung und Beratung bei Sprachproblemen. 8. Erhöhter Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad wegen der Einbeziehung von Bezugspersonen in die prophylaktischen Maßnahmen.
- Erheblicher zeitlicher Mehraufwand, weil die alten und harten Konkremente nur durch zusätzlichen Einsatz eines Pulver-Wasser-Strahl-Geräts zu entfernen waren.
- Besonders schwierige Reinigung der Zähne bei vorhandener kieferorthopädischer Apparatur.
- Besonders schwierige Zahnreinigung wegen starker Dentinhypersensibilität.
- Besonders schwierige Reinigung wegen Zahnengstand/verblockter prothetischer Restauration.
- Schwierigste Reinigung interdental; bei verschachtelter Zahnstellung war zusätzlicher Ultraschalleinsatz notwendig.
- Erheblich erhöhter Zeitaufwand bei der Versiegelung mehrerer getrennter Fissuren und Grübchen an einem Zahn.
- (Deutlich) erhöhte Schwierigkeit bei der Versiegelung: Starker Zungendruck, zur Einsicht des Arbeitsfeldes war aufgrund der großen Zungenaktivität häufiges Umplatzieren der Instrumente erforderlich.
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Christine Baumeister-Henning
Beratung Training Konzepte
Sachverstandige zahnarztliches Gebuhrenrecht/Business-Coach
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